2011 Namenstafel - BM Mußler will Stolpersteine verhindern
O Arbeitskreis erstellt Namensliste
O Verwaltungsvorschlage: Namenstafel anstatt Stolpersteine
O Neue Chance für Stolpersteine (BNN 16.11.2011)
O Namenstafel soll an Schicksale erinnern Kuppenheimer Rat für Gedenken an jüdische
Bürger auf Synagogenplatz / Stolpersteine kontrovers diskutiert (BT 16.11.2011)
O Mehr als nur Formsache - Kommentar Markus Koch (BT 16.11.2011)
O Mit blangem Atem Ziel erreicht (Leserbrief Paul Sachse, BT 17.11.2011)
O Arbeitskreis will für Stolpersteine werben (BT 18.11.2011)
O Für Stolpersteine alle Beteiligte ins Boot geholt - Arbeitskreis erhält trotz Gedenktafel
weitere Chance geholt (BNN 18.11.2011)
O Vorgeschichte zum Thema "Gedenkestein eremordeter jüdischer Mitbürger"
Stellungnahme/Zusammenfassung des Arbeitskreises "Jüdische Gedenktafel"
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2010 / 2011 Arbeitskreis erstellt Liste
02.09.2010
Bürgermeister Mußler und Archivar Gerhard Linder fordern Arbeitskreisvorsitzenden Wolf auf, das Buch „Die jüdische Gemeinde in Kuppenheim“ sowie das ergänzende Bürgerbuch ausgiebig durchzuforsten.
24.01.2011 Stadtrat Wolf übernimmt diese umfangreiche Aufgabe und lässt Bürgermeister Karsten Mußler eine Namensliste von ermordeten, emigrierten jüdischen Mitbürgern (einschließlich einiger noch zu klärenden Schicksale) zukommen.
Jan. 2011
Die Zeit bis zum Verlegetermin am 11. April 2011 ist zu knapp. Wolf bittet das Büro Demnig um abermaliges Verschieben. Ein neuer Termin könnte laut Anna Warda vom Organisationsteam Demnig im Herbst 2011 stattfinden.
Jan. 2011 Arbeitskreisvorsitzender Heinz Wolf erbittet von der KJG Kuppenheim/Oberndorf
(Katholische Junge Gemeinde) die Namen der ermordeten Kuppenheimer Juden, die
von der KJG bei deren Gedenkveranstaltungen (zur Reichspogromnacht) auf dem Synagogenplatz (Wolf uns sein persönliches Umfeld nehmen daran regelmäßig teil) verlesen werden. Die Vorsitzende verweigert die Herausgabe und verweist auf das Buch von Gerhard Linder „Die jüdische Gemeindein Kuppenheim".
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Verwaltungsvorschlag will Namenstafel anstatt Stolperstein
Feb. 2011
AK-Vorsitzender Wolf informiert die Mitglieder des Arbeitskreises „Stolpersteine
Kuppenheim" ausführlich über den Stand der Aktion. Ein angedeutetes Treffen des Arbeitskreises wird auf unbestimmte Zeit verschoben wegen konspirativen Verhaltens der Verwaltungsspitze (Israelitische Kultusgemeinde Baden-Baden), und der Arbeitskreis wartet auf die Daten vom Stadtarchiv. Darüber hinaus machte es Sinn, „Ruhe in die Sache" zu bringen. Der vorgesehene zweite Termin für die Erstverlegung der Stolpersteine in Kuppenheim wird abgesagt.
11.10.2011
Wolf übergibt ein zweites Mal BM Mußler Listen (Überarbeitung des Bürgerbuchs der Jüdischen Gemeinde Kuppenheim, G. Linder) der verschleppten und ermordeten Kuppenheimer Juden und erbittet abermals die Zuarbeit des städtischen Archivars.
Nov. 2011
Die Mitglieder des Arbeitskreises werden erneut über den aktuellen Stand informiert. Vorsitzender Wolf bittet BM Mußler, die Aktion „Stolpersteine in Kuppenheim" nicht scheitern zu lassen, zumal mittlerweile in mehr als 750 Orten (Stand Okt. 2011) in Deutschland und in anderen Ländern über 30.000 Stolpersteine verlegt wurden.
Okt. 2011 „Jedes Opfer soll einen Gedenkstein erhalten" - BT-Artikel von Markus Koch und Leserbriefe von Paul Sachse (BT 22.10.11) und Ulrich Behne (BT 205.10.11) sowie
Nov.2011 Der Lesebrief von Joachim Peters (BT 09.11.11) und schließlich ein Brief von Paul Sachse an BM Mußler (30.10.10, Eingang 07.11.11) veranlassen BM Mußler noch vor der Sitzung des Arbeitskreises (16.11.11) die Aktion Stolpersteine vor den Gemeinderat zu bringen mit dem offensichtlichen Ziel, „Stolpersteine in Kuppenheim" zu verhindern, obwohl er und der gesamte Gemeinderat wiederholt in den zurückliegenden Jahren die Aktion begrüßten.
14. Nov. 2011Gedenken an das Schicksal der jüdischen Mitbürger in Kuppenheim,
GR-Sitzung, TOP 8
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Neue Chance für "Stolpersteine"
Gemeinderat wartet auf Ergebnisse des Arbeitskreiuses
Gednktafel bei Synagogenplatz
Kuppenheim. In welcher Form dem Schicksal der von den Nationalsozialisten ermordeten oder verschleppten jüdischen Mitbürger gedacht werden soll - darüber gehen die Ansichten in Kuppenheim seit Monaten weit auseinander. Reicht eine Gedenktafel? Oder sollen es vor den früheren Häusern der jüdischen Mitbürger verlegte „Stolpersteine" «sein? Inzwischen scheint sich bei dem Streitthema eine Lösung abzuzeichnen. Jedenfalls hat der Gemeinderat nach kontroverser Diskussion einstimmig begrüßt, dass die KJG Kuppenheim-Oberndorf eine Gedenktafel mit den Namen der verstorbenen jüdischen Mitbürger aus Kuppenheim beim Synagogenplatz anbringt.
Die Verwaltung hatte empfohlen, ein Verlegen von „Stolpersteinen" nicht weiter zu unterstützen. Dies hätte womöglich das Aus für das Projekt des Künstlers Gunter Demnig und den 2008 gebildeten „Arbeitskreis Stolpersteine" bedeutet. Der Rat entschied sich letztlich dafür, dem Arbeitskreis noch einmal eine Chance zu geben und abzuwarten. Erste Ergebnisse zum aktuellen Sachstand und zum weiteren Vorgehen soll ein Arbeitskreis-Treffen am heutigen Mittwoch um 19 Uhr im Wörtel-Restaurant liefern.
Erinnerung begehbar gemacht
SPD-Stadtrat und Arbeitskreis-Vorsitzender Heinz Wolf, der gerne allen jüdischen Mitbürgern einen Stolperstein setzen und ihnen damit „im öffentlichen Raum einen Namen geben" möchte, soll künftig Bericht erstatten und schnellstmöglich mitteilen, „wer im Arbeitskreis mitwirkt". Bürgermeister Mußler betonte, dass sich weder der Gemeinderat noch er selbst oder die Verwaltung jemals dagegen verwehrt hätten, die Namen der jüdischen Mitbürger zu veröffentlichen. Die Stadt Kuppenheim erinnere stets und in vielfältiger Weise an die vom nationalsozialistischen Unrechtsstaat begangenen Verbrechen und das Schicksal ihrer jüdischen Mitbürger in Kuppenheim. Es müsse aber erlaubt sein, die Form des Gedenkens zu wählen, die die Mehrheit der Bevölkerung für die Richtige hält, sagte Mußler - und fügte hinzu. „Die Meinungen in den jüdischen Gemeindenbis hin zum Zentralrat der Juden zum Projekt Stolpersteine gehen auseinander.
Es gibt Befürworter, aber auch Kritiker. In vielen Städten wurden Stolpersteine bereits verlegt, andere lehnen das ab." Darauf Wolf: „Nur etwa zehn von 750 Städten und Gemeinden legen der Aktion solche Steine in den Weg. Außerdem wird hier Erinnerung nicht mit Füßen getreten, sondern - wie Salomon Korn es formuliert hat - begehbar gemacht."
Laut Mußler begrüßte das Ratsgremium im November 2009 die Aktion grundsätzlich - „allerdings beschloss er auch einstimmig, dass die Hauseigentümer der Verlegung zustimmen müssen". Dieser Beschluss gelte nach wie vor, da Wolfs Antrag vom Juli 2010, den Beschluss aufzuheben und auf eine Einverständniserklärung zu verzichten, einstimmig vertagt worden sei. „Es wurden weitere Informationen und eine Aussage darüber gewünscht, ob der Arbeitskreis auch eine Gedenktafel mittragen könnte." Im Januar 2011 habe der Arbeitskreis eine Liste der jüdischen Mitbürger übergeben und darum gebeten, die Wohnanschriften zu kontrollieren, zu verbessern und zu ergänzen.
Auf Nachfrage der Verwaltung bei Wolf im Februar 2011, ob die vom Gemeinderat gewünschten Informationen mittlerweile vorliegen, habe dieser nicht geantwortet, so Mußler.
Heinz Wolf und Peter Müller (SPK) zeigten sich sehr enttäuscht über die Beschlussvorlage. Der parteilose Arbeitskreis habe gute Arbeit geleistet. Viele Steinespender seien bereits gefunden worden. „Warum also dem Arbeitskreis das Wasser abdrehen? Man könnte doch beide Projekte unterstützen. Es wäre schade, wenn das Projekt scheitern würde." Eberhard Boh erklärte für die Freien Wähler die Aktion Stolpersteine zumindest derzeit für gescheitert und nannte mit Hinweis auf den Beschluss von 2009 die fehlende Eigentümerzustimmung als Hauptgrund. „Diese Bedingung muss erfüllt sein. Aber hier hat sich noch gar nichts getan." Eine Aussage des Arbeitskreises darüber, wie es jetzt weitergehen soll, wünschte sich auch Leopold Hlubek (CDU). Er regte an, dem „bislang anonymen Arbeitskreis" eine Frist zu setzen, „damit es nicht heißt, wir hätten das Projekt abgewürgt, obwohl ich gar nicht weiß, was wir getan haben könnten, dass das Vorhaben scheitert".
Badische Neueste Nachrichten, 16. November 2011, Ralf Joachim Kraft
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Namenstafel soll an Schicksale erinnern
Kuppenheimer Rat für Gedenken an jüdische Bürger auf Synagogenplatz /
Stolpersteine kontrovers diskutiert
Kuppenheim (mak) - Die Namen der ermordeten Kuppenheimer Juden erhalten einen Platz im öffentlichen Raum: Der Gemeinderat votierte einstimmig dafür, eine Gedenktafel auf dem Synagogenplatz zu installieren. Hinsichtlich der Verlegung von Stolpersteinen besteht noch Klärungsbedarf. Der Gemeinderat besteht darauf, dass vor Verlegung von Stolpersteinen die Zustimmung der Grundstücksbesitzer eingeholt wird. Im Arbeitskreis gibt es diesbezüglich noch keinen einheitlichen Beschluss.
Das „Gedenken an das Schicksal der jüdischen Mitbürger in Kuppenheim" war zwar erst als achter Punkt der Tagesordnung aufgeführt, wurde jedoch gleich zu Beginn der Sitzung im Rahmen der Bürgerfragestunde thematisiert. Der Künstler Paul Sachse, Mitglied des Arbeitskreises Stolpersteine, machte mit einer Reihe von rhetorischen Fragen darauf aufmerksam, dass er sich bereits seit 16 Jahren dafür einsetze, dass die ermordeten jüdischen Kuppenheimer Bürger einen Namen im öffentlichen Raum erhalten. Ein Stolperstein ist ein Pflasterstein mit einer Messingtafel, auf der die persönlichen Daten eines jüdischen Hausbewohners sowie das Datum der Verschleppung oder Ermordung eingraviert sind. Im Hinblick auf die Verlegung der Stolpersteine zitierte Sachse ein Urteil des Stuttgarter Amtsgerichts, dass diese „keine Eigentumsverletzung der Grundeigentümer" darstellten. „Sie erhalten zu gegebener Zeit Antwort auf Ihre Fragen", entgegnete Bürgermeister Karsten Mußler.
Der Rathauschef betonte im Hinblick auf das Gedenken an das Schicksal der jüdischen Mitbürger, dass sich weder er noch ein Mitglied der Verwaltung oder des Gemeinderats je dagegen gewehrt habe, die Namen ermordeter Juden öffentlich zu machen. „Es ist eine legitime Frage in unserem Rechtsstaat, ob Hauseigentümer befragt werden müssen", führte er weiter aus. Mußler fügte hinzu, dass kontroverse Diskussionen ein „elementarer Baustein unserer Demokratie" seien. Nicht akzeptabel sei es hingegen, „wenn falsche Tatsachen und Behauptungen in den Raum gestellt werden", urteilte er im Hinblick auf Meinungsbeiträge im Badischen Tagblatt.
Der Bürgermeister führte auf, was die Stadt im Hinblick auf das Gedenken bereits geleistet hat. So wende man für die Instandhaltung des jüdischen Friedhofs im Ort jährlich rund 20 000 Euro auf. Die Inventarisierung des Friedhofs im Jahr 2002 habe rund 40 000 Euro gekostet. Weiterhin erinnerte er daran, dass Stadtarchivar Gerhard Friedrich Linder und Mitglieder des Historischen Vereins zu diesem Thema zahlreiche Quellen ausgewertet haben. Im Hinblick auf die Stolpersteine meinte Mußler, dass die Meinungen über dieses Projekt auch in jüdischen Gemeinden bis hin zum Zentralrat der Juden auseinander gingen. Zudem gebe es Städte, die eine Verlegung ablehnen.
Der Gemeinderat habe den Arbeitskreis im Juli 2010 um Auskunft gebeten, ob er auch eine Gedenktafel auf dem Synagogenplatz oder dem Friedensplatz mittragen könne. Am 30. Oktober dieses Jahres habe der Kreis erstmals eine mögliche Namenstafel am Gedenkstein beim Synagogenplatz erwähnt. Die Katholische Junge Gemeinde (KJG) Kuppenheim-Oberndorf habe in diesem Sommer vorgeschlagen, den Gedenkstein auf dem Synagogenplatz mit einer Namenstafel zu ergänzen. Zum Beschluss stand der Vorschlag, dass der Rat die Anbringung einer Gedenktafel mit Namen durch die KJG begrüßt und zweitens die Verlegung von Stolpersteinen „nicht weiter unterstützt".
SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Müller war der Auffassung, dass „wir es aushalten müssen, wenn wir attackiert werden". Der Rat habe beschlossen, den Arbeitskreis Stolpersteine zu unterstützen und er verstehe es nicht, „wenn wir nun eine 180-Grad-Wen- dung machen". Er sehe „wirklich keinen Grund, dem Arbeitskreis das Wasser abzudrehen. Was spricht dagegen, dass man beide Projekte unterstützt?" SPD-Stadtrat Heinz Wolf, Vorsitzender des Arbeitskreises, übte zunächst Kritik an der Verwaltung, war jedoch der Auffassung, dass es „nichts nützt, wenn wir uns gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben". Er sprach sich für eine Gedenktafel und für die Stolpersteine aus.
FWG-Vorsitzender Eberhard Boh betonte, dass es entscheidend für seine Fraktion sei, dass die Grundstückseigentümer zuvor befragt werden: „Die Diskussion des Themas auf der Ebene von Leserbriefen ist fragwürdig und unwürdig", sagte er. CDU-Fraktionsvorsitzender Leopold Hlubek kritisierte, dass er gar nicht wisse, wer alles im Arbeitskreis sei. „Und was haben wir als Gemeinderat bisher getan, dass es scheitert? Wir haben die Informationen des Arbeitskreises abgewartet."
Warten auf Beschluss des Arbeitskreises
Mußler verdeutlichte am Ende der kontroversen Diskussion, dass man den zweiten Beschlussvorschlag weglassen könne. Er verlangte jedoch vom Arbeitskreis die Garantie, dass kein Druck auf Hauseigentümer ausgeübt werde, die einen Stolperstein ablehnen. Er schlug vor, dass der Rat abwarte, wie der Arbeitskreis das Thema diskutiert. Dieser traf sich gestern. „Wenn ein entsprechender Beschluss des Arbeitskreises vorliegt, wird die Verwaltung alle betroffenen Grundstückseigentümer anschreiben", sagte Mußler. Danach werde sich der Gemeinderat erneut des Themas annehmen.
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Mehr als nur Formsache
Kommentar von Markus Koch, Badisches Tagblatt 16.11.2011
Das Gedenken an ermordete jüdische Mitbürger ist ein sehr sensibles Thema. Es ist gut, dass in Kuppenheim im Grundsatz Einigkeit darüber herrscht, dass die Namen aller ermordeten Juden öffentlich gemacht werden. Über die Form dieses Gedenkens lässt sich durchaus streiten, doch die Kuppenheimer Diskussion über das Verlegen der Stolpersteine hat gezeigt, dass bei einem derart sensiblen Thema schnell persönliche Befindlichkeiten die Sache überlagern können. Vor diesem Hintergrund tat die Gemeinderatssitzung am Montag gut, weil durch den Austausch von sachlichen Argumenten der Arbeitskreis nun nicht vor dem drohenden Aus steht, sondern weiterhin die Möglichkeit hat, sein Projekt zu verwirklichen. Zudem erlebten die Besucher ein seltenes Beispiel von engagierter Debattenkultur, weil kontroverse und gleichzeitig sensible Themen im Gemeinderat leider meist nichtöffentlich behandelt werden. Die Gedenktafel auf dem Synagogenplatz gibt allen ermordeten Kuppenheimer Juden öffentlich einen Namen. Sollte künftig nicht vor jedem betreffenden Haus ein Stolperstein gesetzt werden, ist dennoch an alle Opfer gedacht.
Foto: Die KJG Kuppenheim-Oberndorf hat bereits diesen Gedenkstein gesetzt. Nun soll eine Tafel hinzukommen.
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Mit langem Atem Ziel erreicht
Zum BT-Artikel „Namenstafel soll an Schicksale erinnern" vom 16. November schreibt Paul Sachse, Wilhelmstraße 25, Kuppenheim, folgenden Leserbrief:
Nun muss ich, obwohl ich nichts dagegen einzuwenden hätte, doch keine hundert Jahre alt werden! Nachdem mein Vorschlag, eine Namenstafel am Synagogenplatz anzubringen, 16 Jahre lang wie eine anmaßende Einmischung in innere Angelegenheiten behandelt wurde, hat sich der Kuppenheimer Gemeinderat eines Besseren besonnen. Die Namen aller ermordeten jüdischen Kuppenheimer werden am Synagogenplatz eine würdige Verewigung finden und darüber hinaus werden dort, wo die Grundeigentümer damit einverstanden sind, Stolpersteine verlegt. Was lange währt, wird endlich gut.
Zwei Dinge hat dieser Fall aber gezeigt: Wer von der Berechtigung einer Sache wirklich überzeugt ist, braucht einen langen Atem, dann kommt er auch ans Ziel. Für das Funktionieren einer Demokratie ist eine unabhängige Presse dringend erforderlich. Zur Würdigung der ermordeten Kuppenheimer Juden hat das Badische Tageblatt in all den Jahren einen ganz entscheidenden Beitrag geleistet. Dafür herzlichen Dank.
Paul Sachse, BT 17.11.2011
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Arbeitskreris will für Stolpersteinne werben
Kompromiss: Hausbesitzer werden nach ihrer Meinung gefragt
Kuppenheim (sl) - In Kuppenheim sollen nur dort Stolpersteine verlegt werden, wo die Immobilienbesitzer dem nicht widersprechen. Nach dem aufreibenden Diskurs um die Kleindenkmale vor den Wohnhäusern von Kup- penheimer Juden, die im „Dritten Reich" ermordet wurden (wir berichteten), will der Arbeitskreis jetzt wieder ruhigere Fahrwasser ansteuern. Hausbesitzer, die einen solchen Stein nicht wünschen, sollen nicht dazu gedrängt werden.
Nach einer sachlichen Diskussion mit vielen konstruktiven Vorschlägen am Mittwochabend im „Wörtel-Restaurant" steht als Kompromiss außerdem fest: Der Arbeitskreis befürwortet auch die von der KJG angestrebte Gedenktafel für jüdische Opfer der NS-Zeit auf dem Synagogenplatz. In die Entscheidungsfindung, wie dieses Mahnmal aussehen soll, will sich der Arbeitskreis mit Vorschlägen einbringen, allerdings ohne Forderungen zu stellen oder „das Zepter an sich zu reißen". Gewünscht wird zum Beispiel, dass der Synagogenplatz in einem würdigen Zustand gehalten wird, ohne Müllcontainer und parkende Autos.
Der Arbeitskreis schlägt außerdem vor, dass auf der Opfertafel bei ermordeten Juden der Todesort erwähnt wird und dass auch Menschen einen Platz finden, die aus Kuppenheim emigrieren mussten. Bei den Stolpersteinen will man sich in einem ersten Schritt dagegen auf die Todesopfer konzentrieren.
Heinz Wolf, Sprecher des Arbeitskreises, zählt dann etwa 30 Stolpersteine. Wenn man die aus der Stadt vertriebenen Juden hinzunehmen würde, käme er auf mehr als 60. Das sei aber Zukunftsmusik.
Aus Gründen des Datenschutzes kann der Arbeitskreis nicht selbst an die Haus- und Grundstücksbesitzer herantreten. Deshalb wird dies die Stadt übernehmen. Der Arbeitskreis will dafür eine Liste mit all jenen Stellen in Kuppenheim erarbeiten, die für einen Stein infrage kommen. Die Mitglieder hoffen, dass recht viele Hausbesitzer einem Stolperstein zustimmen.
In dieser Beziehung konnte den Kuppenheimern ein Gast aus Malsch Mut machen: Josef Bechler, der ehemalige Vorsitzende der Heimatfreunde Malsch. Dort erinnern bereits 30 Steine an NS-Opfer. Etliche Hausbesitzer hätten sie sogar selbst finanziert - in Kuppenheim werden derweil noch Spender gesucht. Der Arbeitskreis ist sich aber sicher, dass viele Kuppenheimer sich von der Sache überzeugen lassen, wenn erstmal die ersten Stolpersteine liegen.
Badisches Tagblatt, 18.11.2011, Sebastian Linkenheil
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Arbeitskreis erhält trotz Gedenktafel weitere Chance
Für “Stolpersteine“ alle Beteiligten ins Boot geholt
Kuppenheim. Bei einem Treffen hat der Arbeitskreis „Stolpersteine Kuppenheim" beschlossen, dem Arbeitskreis noch eine Chance zu geben und weitere Ergebnisse abzuwarten. An der Versammlung zur Aktion des Künstlers Gunter Demnig zur „Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden in Kuppenheim" nahmen elf Personen teil. Wie die BNN berichteten, hatte der Gemeinderat' in seiner jüngsten Sitzung einstimmig begrüßt, dass die KJG Kuppenheim-Oberndorf eine Gedenktafel mit den Namen der verstorbenen jüdischen Mitbürger aus Kuppenheim beim Synagogenplatz anbringt.
„Der Arbeitskreis begrüßt, dass der Synagogengedenkstein durch eine Opfertafel ergänzt wird. Außer den Namen sollte auch der Todesort erwähnt werden, damit klar ist, dass diese Menschen ermordet wurden. Ferner bitten wir darum, alle Opfer des NS-Regimes, also auch die Vertriebenen, auf der Opfertafel zu erwähnen - diese allerdings ohne Nennung des Todesortes", erklärte Paul Sachse am Mittwoch für den Arbeitskreis. Unterschiedliche Ansichten herrschten hinsichtlich der Gestaltung des Gedenksteins. Das Meinungsspektrum reichte von „Wir dürfen uns da nicht reindrängen!" bis „das dürfen wir nicht der KJG allein überlassen". Ein Mitglied meinte, der Stein sei zu klein, er müsse repräsentativ sein. Vorsitzender Heinz Wolf regte an, zumindest den Platz in einen ordentlichen Zustand zu bringen. „Die Müllcontainer sollten verschwinden." Sowohl Sachse als auch Wolf betonten, dass es erlaubt sein müsse, Ideen zum Gedenkstein einzubringen. Sinnvoll könnte ein Fachgremium aus mehreren Beteiligten sein, „über dessen Gestaltungsvorschläge dann der Gemeinderat zu entscheiden hätte".
Wolf und Sachse zeigten sich erfreut darüber, dass das Projekt „Stolpersteine" nicht gescheitert ist, sondern als eine „ganz andere Form des Gedenkens" parallel zur Opfertafel weiterverfolgt werden kann. Beide sprachen von der „Chance, jetzt überall dort, wo die Hauseigentümer einverstanden sind, einen Stolperstein verlegen zu können". Es sei Aufgabe der Stadt, Kontakt zu den Hauseigentümern aufzunehmen. Eine „terminliche Festlegung" seitens der Stadt sei jedoch notwendig. „Wo die Einverständniserklärung der Hauseigentümer nicht vorliegt, gibt es eben keinen Stein, aber zumindest wird über das Projekt gesprochen. Und vielleicht steigt dann die Anzahl derer, die sich anschließen", hofft Wolf, dass es irgendwann so gut läuft wie in Malsch.
„Wir hatten eine Koordinierungsgruppe gebildet, die Verwaltung mit ins Boot geholt und den Hausbesitzern die Aktion erläutert. Viele von ihnen haben inzwischen selbst schon Steine bestellt, so dass bei uns 2012 schon die zweite Verlegung stattfinden kann", berichtete der frühere Vorsitzende der Heimatfreunde Malsch, Josef Bechler, von einem harmonischen Miteinander. Auch mehrere Abeitskreismitglieder machten deutlich, dass Streit nichts bringe. Persönliche Animositäten dürften keine Rolle spielen. Eine weitere wichtige Frage war, wie viele Opfer einen Stein erhalten sollen. Hier galt es, eine „klare Regelung" zu treffen. Der Arbeitskreis entschied, dass nur der letzte frei gewählte Wohnort vor der Deportation entscheidend sein soll. „Wenn man sich vorerst darauf konzentriert, wären es um die 30 Steine. Alles andere ist Zukunftsmusik", so Heinz Wolf mit Hinweis darauf, dass die genaue Anzahl der Opfer aufgrund unterschiedlicher Angaben in der Liste von Yad Vashem und der Stadtchronik noch geklärt werden müsse.
Stadtarchiv liegt Liste mit 30 Opfer-Namen vor
Man hoffe hier auf Unterstützung durch das Stadtarchiv, dem eine überarbeitete Liste zur Überprüfung vorliege - und ebenso auf die spätere Unterstützung durch den Bauhof, „wenn es darum geht, die Steine zu verlegen".
Badische Neueste Nachrichten, 18.11.2011, Ralf Joachim Kraft
Foto: FÜR DIE STOLPERSTEINE in Malsch wurden Hausbesitzer und Verwaltung mit ins Boot geholt - der Arbeitskreis in Kuppenheim hofft auf ein ähnliches Vorgehen.Foto: Kraft
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